Trotzdem ich mich mehr als unwohl fühlte, bewegte ich noch nicht mal ein Schnurrhaar, sondern konnte die Szenerie nur beobachten, die ich einfach nicht glauben wollte. Es wäre nicht meine Art gewesen, zu viel hineinzuinterpretieren, unnütze Vermutungen abzugeben und mich in eine unreelle Welt ziehen zu lassen, womit ich einfach nur den Fakt hinnahm, dass ich diesen Kater falsch eingeschätzt hatte. Doch fassen konnte ich es trotzdem nicht. Seit ich ein Junges war, nahm ich das meiste durch Beobachtungen wahr, kannte jede Katze hier ziemlich gut, ohne auch nur ein Wort mit ihnen gewechselt zu haben. So war es auch bei Hermelinseele gewesen. Er war ein guter Kater. Das wusste ich und ich wollte nicht glauben, dass ich mich getäuscht hatte. Doch egal warum und wodurch, seine Reaktion war meines Erachtens nicht gerechtfertigt und ich hoffte nur, dass er sich schnell beruhigte und doch noch alles gut werden würde.
Für mich selbst glaubte ich meist an die schlechteste Variante, hatte wenig Hoffnung, doch dafür hatte ich umso mehr Hoffnung für andere. Ich nahm Leid gern in Kauf, solange andere davon bewahrt wurden, warum klappte es diesmal nicht? Warum fühlte ich mich so schuldig? Ich war mehr als froh, als der braun-weiße Krieger die Kinderstube verließ und mit ihm ging etwas Anspannung und trübe Stimmung. Ich konnte aufatmen, als Rußnebel mir keinerlei Schuld zuzuschieben schien und sich eher freute, dass ich noch da war. Ich hoffte nur, dass es den Kleinen gut ging. Sie sollten nicht ohne Vater groß werden. Ich konnte nicht sagen, ob ich deshalb ihr Vater sein wollte, denn eigentlich war ich natürlich dafür, dass ihr richtiger Vater dies übernehmen sollte, doch ich konnte der Königin beim besten Willen diesen Wunsch nicht abschlagen. Smaragsjunges und Rubinjunges so zu sehen, die kleinen, sich gleichenden Fellbälle mit großen Augen der Verwunderung und Verunsicherung, sie hatten eine schöne, glückliche Familie verdient. Eine tausendmal bessere als ich sie hatte. "Ich glaube niemand versteht ihn im Moment. Vielleicht hat er überstürzt gehandelt und kommt wieder zur Vernunft. Das würde ich mir wünschen. Gerade weil ich die Kleinen so mag. Und ich bin mir sicher, dass Krähenlied nie so sein würde. Sie ist manchmal etwas temperamentvoll, aber sie liebt mich." erzähle ich vorsichtig, da ich sicherlich nicht von meiner glücklichen Beziehung schwärmen will, während eine andere in Problemen steckt. Erstaunlicher Weise hört man aber dennoch die sanft klingenden Töne, als ich Krähenlied erwähne, die sonst so selten von mir zu hören sind. Ich denke wieder daran, dass ich unbedingt nach meiner Gefährtin sehen muss in einiger Zeit, immerhin möchte ich es besser machen.
Bevor ich jedoch gehen konnte und wollte, wollte ich das Familienglück hier retten und zwang mich zu einer fröhlicheren Stimmung, nahm nun auch Kontakt zu Smaragdjunges auf und lauschte Rubinjunges Nachfragen. Nachdem diese halbwegs geklärt waren, weckten Bergstürmer, Honigglanz und ihre Jungen die Aufmerksamkeit beider Schwestern, doch meine Worte waren nicht von Nöten. Ich sah ebenfalls zu der hübschen Königin hinüber, die die Schwester Hermelinseeles war und fragte mich, wie sie damit umging. Die Geschwister hatten ein ziemlich gutes Verhältnis, gerade seitdem ihre Mutter verschwunden war und somit hoffte ich, dass vielleicht sie mit dem Gefährten Rußnebels reden könnte. Doch es war nicht mein Belangen, sie darauf anzusprechen, zudem erhielt ich eine Bitte meiner vermutlichen Freundin. "Natürlich." antwortete ich kurz und beeilte mich die Taube wegzuschaffen.
Als ich die Taube wieder am Frischbeutehaufen ablegte, atmete ich etwas durch und beobachtete kurz die Masse, die sich am Lagereingang gesehen hatte. Ich hatte gehört, dass sie sich zum Kampf versammelten und auch, wenn ich sie natürlich gern unterstützt hätte, kommt es mir gelegen, hier zu bleiben. Ich fühlte Anstrengung auf meinen Knochen und Erschöpfung, obwohl ich erst vor kurzem geschlafen hatte. Noch immer viel es mir schwer, von vielen Katzen umgeben zu sein, viel reden zu müssen und erst recht an Konflikten beteiligt zu sein, ist die größte Qual, die ich mir vorstellen konnte.
Nach einigen Herzschlägen drehte ich mich seufzend um und ging wieder zurück in die Kinderstube. "Brauchst du noch etwas?" fragte ich ruhig und sah sie immer noch mit einem etwas mulmigen Gefühl an. "Ich fühle mich wirklich nicht wohl dabei, in diesem Streit zu strecken. Meinst du es ist meine Schuld?" frage ich sie vorsichtig und schön leise, in der Hoffnung die Jungen nahmen es nicht zu sehr wahr. Doch zurückhalten konnte ich mich nicht. Schuldgefühle plagten mich zu sehr und drohten mich zu erdrücken, weswegen ich auf Unterstützung der Königin hoffte. 'Eine tolle Hilfe bist du da. Sie ist es die Unterstützung braucht und wiedermal spielst du die Memme, die du schon dein ganzes Leben warst!' schallt es in meinem Kopf wieder und lässt meine Miene gefrieren, wie sie es bis vor kurzem für gewöhnlich war. Wo war Krähenlied? Sie würde mich verstehen... Oder würde es auch RUßnebel schaffen mich aus meinen Fängen der Vergangenheit zu befreien?