Ich grinste kurz, als Sturmseele seine Pfoten ausstreckte und raunte, dass er schon wach sei. Er begann mit dem morgendlichen Putzen und ich nutzte die Gelegenheit, mein Fell ebenfalls nochmal gründlicher zu glätten. Als Sturmseele wieder zu reden begann, ließ ich die Pfote sinken, die ich gerade ausgiebig reinigte und fokussierte mich neugierig auf den Kater. Er erklärte, wie es dazu kam, dass er die Nacht über neben mir geschlafen hatte und nicht an seinem üblichen Platz. Es hatte etwas damit zu tun, dass er nicht in dem Nest schlafen wollte, das einst ihm und seiner ehemaligen Gefährtin gehört hatte. Stattdessen hatte er neben jemandem schlafen wollen, dem er vertraute. In diesem Moment war ich ganz froh, dass mein Gesicht von dem weiß-goldenem Fell bedeckt wurde. Andererseits wäre ich sicher schon längst knall rot angelaufen. Ich hatte nicht gedacht, dass Sturmseele diese ganze Sache so offen ansprechen würde. Mein Blick glitt automatisch zum Boden, ich starrte nervös und leicht verlegen auf meine Pfoten. Allerdings fügte der Kater noch hinzu, dass er es nicht mehr neben mir schlafen würde, wenn es mich stören würde. «Nein, nein!», stieß ich hervor, vermutlich etwas zu überschwänglich, und traute mich nun wieder, dem Krieger ins Gesicht zu blicken. «Ich fand es eigentlich ganz schön…», murmelte ich zögerlich. Meine Güte. Normalerweise war es überhaupt nicht meine Art, so zurückhaltend und unsicher zu sein, aber ich fühlte mich einfach überrumpelt. Sturmseele hatte doch wohl kaum meine Nähe gesucht, weil wir beste Freunde waren? Waren da vielleicht doch mehr Gefühle im Spiel, als man dem Kater im Moment ansah? Mir lagen so viele Fragen auf der Zunge, doch ich hielt mich wiederwillig zurück. Dieser Zeitpunkt war mehr als unpassend.
«Nun ja.», wechselte ich rasch das Thema, wenn auch nicht sehr geschickt, «Lass uns nachsehen, ob unsere Schüler schon wach sind.» Mit diesen Worten drehte ich mich um und lief Richtung Ausgang. Natürlich versuchte ich dabei möglichst niemanden auf den Schweif zu treten und aus seinem wohlverdienten Schlaf zu reißen. Ich war mir sicher, dass Sturmseele folgen würde. Er war es wahrscheinlich inzwischen gewohnt, dass ich einfach losstürmte. Die frische Morgenluft tat gut, auch wenn der Regen ein bisschen auf meine eigentlich positive Stimmung drückte. Das Wetter war nicht gerade ideal für einen Rundgang durchs Territorium, aber es half eben alles Nichts. Ich plusterte mein Fell ein wenig gegen den Wind auf und trottete hinüber zum Schülerbau. Es war lange her, dass ich den kleinen, bequemen Unterschlupf mein Zuhause hatte nennen können. Nun stand ich also als Mentor vor dem Bau. Ich fühlte mich irgendwie komisch, aber zugleich auch unheimlich stolz. Ich streckte den Kopf hinein und schaute mich zunächst nach meiner Schülerin um. Ein paar Regentropfen fielen mir von der Nase und sickerten in den trocken gebliebenen Boden ein. Es war nicht schwer, die aschgraue Kätzin und ihren Bruder zu erkennen, die beide noch friedlich schlafend in ihren Nestern lagen. «Guten Morgen ihr beiden!», trällerte ich durch den Schülerbau, «Es wird Zeit fürs Training.» Ich zog mich wieder zurück und wartete darauf, dass die beiden wach wurden. Währenddessen tropfte der Regen ungehalten weiterhin vom Himmel. Es gab wirklich keinen Zweifel mehr daran, dass die Blattgrüne endgültig vorbei war und der Blattfall Einzug gehalten hatte.
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Ich konnte immer noch nicht so recht glauben, dass ich die ganze Nacht lang neben Sturmseele geschlafen hatte… und das auch noch, ohne es zu bemerken. Sturmseele sprach diese Tatsache ganz unverwandt an und räumte ein, dass er so etwas nicht nochmal machen würde, wenn es mich störte. Meine heftige Reaktion zeigte ganz deutlich, dass ich das genaue Gegenteil wollte. Wenn es nach mir ginge, konnte der Kater jede Nacht für den Rest meines Lebens in meinem Nest schlafen. Allerdings gab ich das nicht offen zu, sondern entgegnete nur etwas zögerlich, dass es mir eigentlich ganz gut gefallen hatte. Nun traute ich mich auch wieder, in Sturmseeles Augen zu schauen. Wärme trat in seinen Blick und ein kleines Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab, als er mir zustimmte. Auch er hatte die vergangene Nacht ganz schön gefunden. In warmes, beflügelndes Gefühl strömte von meinem Herzen über meinen ganzen Körper. Von mir aus hätte dieser Moment ewig währen können. Sturmseeles witzelnde Bemerkung und der zusätzliche Stupser holte mich dann aber doch in die Realität zurück. Ich schnurrte belustigt und schaute dem Kater noch einmal tief in die Augen.
So sehr ich mir auch wünschte, jetzt mit dem Krieger allein zu sein, wir hatten Pflichten zu erfüllen. Ich wechselte rasch das Thema und kam auf unsere beiden Schüler zu sprechen, die heute durch das Territorium geführt werden sollten. Nach einem kurzen Nicken seitens Sturmseele, wandte ich mich durch die schlafenden Katzen nach draußen. Die kalte Brise schlug mir unbarmherzig die ersten Regentropfen ins Gesicht. Obwohl das Wetter meine Freude über das heutige Training ein wenig dämpfte, führte ich meinen Weg zum Schülerbau fort. Dort angekommen, machte ich mich daran, Tundrapfote und Polarpfote zu wecken. Ehe die beiden aus dem Schülerbau kamen, warteten Sturmseele und ich ein Weilchen davor. Der Kater nutzte die Gelegenheit und fragte, was ich von Regen hielt. «Meine Begeisterung hält sich in Grenzen.», murrte ich während mir tropfen um Tropfen übers Gesicht lief, «Vielleicht bricht der Himmel im Laufe des Tages noch auf.» Bevor ich Sturmseele fragen konnte, was er denn von dem Wetter hielt, kamen die beiden Schüler bereits aus dem Bau geschossen. Polarpfote ging vorneweg, dicht gefolgt von seiner Schwester. Er erkundigte sich, wo wir denn als erstes hingehen würden und ob das gemeinsame Training noch stehen würde. Meine Aufmerksamkeit galt allerdings Tundrapfote, die freudig erregt mit ihren Pfoten in der erstbesten Pfütze plantschte. Ich konnte mir ein amüsiertes Grinsen gefolgt von einem belustigten Schnurren nicht verkneifen. Vielleicht konnte meine Schülerin nicht nur von mir etwas lernen, sondern ich auch von ihr. Zum Beispiel, wie man das schlechte Wetter dennoch genießen konnte. Die aschgraue Kätzin stürmte jedoch sofort herbei, als das Wort „Training“ fiel. Sturmseele erklärte unterdessen, dass wir eine Tour durch das gesamte Territorium machten und dass das gemeinsame Training natürlich immer noch stattfand. Tundrapfote strotze wie auch schon gestern vor Energie und verkündete, dass sie am liebsten direkt alles lernen würde. Sie führte vor, wie sie in ihrem Traum bereits erste Jagderfolge erzielt hatte und drängte darauf, sofort loszulaufen. «Eins nach dem anderen.», miaute ich immer noch grinsend zu der kleinen Kätzin. An Sturmseele gewandt erwiderte ich: «Ja, ich denke, wir sollten losgehen, ehe das Sumpfgebiet völlig überschwemmt ist. Und natürlich übernehme ich gerne die Führung.» Beim letzten Satz schlich sich ein freches Lachen auf meine Lippen, ehe ich auch schon den Weg Richtung Lagerausgang einschlug. Darauf bedacht, dass alle mir folgten, lief ich durch den anhaltenden Regen weiter in Richtung des Sumpfes.

→ Das Sumpfgebiet

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