Das Krachen des Stockes zwischen Seeblütes Zähnen läutete das Ende der Geburt ein. Mit einem Jaulen der frisch gebackenen Königin landete auch das letzte der drei Jungen im Nest. Dieses sah wie eine winzige Kopie seines Vaters aus, wenn man von den weißen Pfötchen absah. Braunblick befreite das kleine Bündel aus der Fruchtblase und ließ es neben seinen Geschwistern nieder, die sich eifrig an Seeblütes Bauch drangen. Glücklich betrachtete ich die kleine Familie und lauschte auf das leise Fiepen der Neugeborenen. Seeblüte leckte jedem der drei Jungen über den Kopf und schmiegte sich näher an ihren Gefährten heran. Sie fragte mich, welche Geschlechter die Kleinen hätten und ob sie alle gesund seien. Braunblick beantwortete ihre erste Frage: Die Kätzin hatte zwei Söhne und eine Tochter auf die Welt gebracht. Ich betrachtete die Jungen erneut, doch sie schienen alle munter und hungrig zu sein. Ein gutes Zeichen. «Sie sehen allesamt lebhaft und gesund aus.», verkündete ich mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, das jedoch rasch verschwand, als mich ein leichtes Schwindelgefühl erfasste. Jetzt, nachdem sich alle Anspannung gelöst hatte, rollte die Müdigkeit gnadenlos über mich hinweg. Das gleißende Morgenlicht fiel nun allmählich in die Kinderstube und ließen mich nur noch müder werden. Dass ich mittllerweile zwei Nächte hintereinander kaum zur Ruhe gekommen war, hinterließ irgendwann doch seine Spuren. Ich bohrte die Krallen kaum merklich in den Boden und versuchte, mich noch ein klein wenig zusammenzureißen. «Vergiss nicht, deine Kräuter zu nehmen.», erinnerte ich Seeblüte und schob den Borretsch, den ich zuvor aus dem Heilerbau mitgebracht hatte, etwas näher an die Königin heran, «Die regen den Milchfluss an und stärken. Du musst dich unbedingt ein wenig ausruhen und wieder zu Kräften kommen.» Bei dem letzten Satz warf ich auch Braunblick einen kurzen Blick zu. Seeblüte musste nun drei weitere Katzen ernähren und brauchte dementsprechend viel Frischbeute. Ich war mir allerdings sicher, dass Braunblick sich gut um das Wohl seiner Gefährtin sorgen würde. «Ich lasse euch erstmal allein. Sollte etwas sein, findet ihr mich im Heilerbau.», miaute ich zum Abschied, machte kehrt und verließ die Kinderstube mit schnellem Schritt. So gern ich noch ein wenig bei ihnen geblieben wäre, meine Pfoten konnten mich kaum noch tragen. Zügig überquerte ich die Lichtung und hoffte, dass keine böse Überraschung im Heilerbau auf mich wartete.
Tatsächlich fand ich dieses Mal keine halbverblutete Katze auf, stattdessen wartete Falkenjäger in Begleitung einer zweiten Kriegerin vor dem Heilerbau. «Guten Morgen.», begrüßte ich die beiden, als ich unmittelbar hinter ihnen zum Stehen gekommen war, «Kann ich euch irgendwie helfen?» Ich war zwar tot müde, aber meine Energie würde schon noch ausreichen, um mich um die beiden zu kümmern.
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Erschöpft, aber glücklich trottete ich von der Kinderstube zurück zum Heilerbau. Im Lager wurde es langsam hell. Ich hatte mal wieder eine komplette Nacht durchgearbeitet. Langsam fingen meine Pfoten an zu streiken und ich hatte alle Mühe mich wachzuhalten. Aus der Entfernung sah ich, dass Falkenjäger in Begleitung einer zweiten Katze vor dem Heilerbau zu warten schien. Mir war im Moment alles lieber, als noch einmal eine blutüberströmte, halbtote Katze zu behandeln und die beiden sahen nicht so aus, als ob sie schwere Verletzungen hätten. Nach einer kurzen Begrüßung merkte der zweite Anführer mit einem Blick zur Kinderstube an, dass es wohl neue Jungen im Clan gäbe. Ich nickte und musste unwillkürlich lächeln, als ich an die drei kleinen Jungen dachte, die ihr Leben gerade erst begonnen hatten. «Seeblüte hat ihre Jungen zur Welt gebracht.», fügte ich erklärend hinzu und verweilte in Gedanken bei dem, was gerade passiert war. Ich hatte ganz allein bei einer Geburt geholfen… das musste ich unbedingt Nebelhauch erzählen. Als hätte der zweite Anführer meine Gedanken gelesen, kam er direkt auf meine ehemalige Mentorin zu sprechen. Er erkundigte sich nach dem Wohl der Heilerin, jetzt da der Angriff von Froststern schon eine Weile zurücklag. Auch sein Bruder hatte damals schwere Wunden davongetragen, als er versuchte Nebelhauch zu verteidigen. «Es geht ihr soweit ganz gut, die Verletzungen sind verheilt.», antwortete ich wahrheitsgemäß. Trotzdem hatte ich das Bedürfnis, Falkenjäger von dem Zwischenfall zu erzählen, der sich unwiderruflich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Bisher hatte ich noch niemandem davon berichtet und ich war mir fast sicher, dass Nebelhauch diesem Vorfall keine besondere Bedeutung zuordnete. Mir ging die ganze Sache jedoch sehr nahe und es war an der Zeit, dass ich meine Sorgen mit jemandem teilte. «Allerdings…», hob ich mit gesenkter Stimme an, damit uns niemand im Heilerbau hören konnte, «… ist Nebelhauch in einer Nacht, nicht lange nach Froststerns Angriff, zusammengebrochen. Sie hat sich überarbeitet und ist einfach kollabiert. Ich dachte schon… s-sie würde…sterben.» Den Rest des Satzes brachte ich nur unter größter Anstrengung heraus. Ich hatte es bisher noch nie ausgesprochen, aber in jener Nacht hatte ich solche Angst, ich würde sie nicht retten können. Die ganze Nacht hatte ich wachgelegen und darauf geachtet, dass ihr Atem nicht abriss. Das war nun schon eine ganze Weile her und dennoch war die Erinnerung daran so lebhaft, als wäre es erst gestern passiert.
Meine Aufmerksamkeit wurde von einer vierten Katze abgelenkt, die sich in die Nähe unserer Gruppe setzte und sicher darauf wartete, mit Falkenjäger sprechen zu können. Mein Blick huschte von dem hellbraunen Kater wieder zu Falkenjäger. Ich wollte noch hören, wie der zweite Anführer auf das reagierte, was ich ihm soeben geschildert hatte. Danach würde ich mir ein kleines Nickerchen im Heilerbau genehmigen.
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