← Sternenbaum

Der Sternenbaum wurde hinter uns immer kleiner und die Sonne nahm am Horizont ihren Lauf. Während wir gemeinsam zurück zum Lager trabten, ließ ich unseren Ausflug noch einmal Revue passieren. Es war schon gut, dass unser Gespräch zumindest ein kleines Happy End gefunden hatte. Sturmseele hatte mich ermahnt, mir ja einen Kater zu suchen, der auch gut zu mir war. Daraufhin hatte ich belustigt mit den Schnurrhaaren gezuckt… wenn er nur wüsste. Anschließend waren wir mit knurrendem Magen in Richtung Lager aufgebrochen, aber der nächste Ausflug würde sicher nicht lang auf sich warten lassen. Sturmseele machte den Vorschlag, bei Sonnenuntergang den Berg zu besuchen, auf dem die Mentoren normalerweise mit ihren Schülern das Kämpfen übten. Von dort oben hatte man einen schönen Ausblick und konnte das Spektakel gut verfolgen. Ich mochte Sonnenuntergänge wirklich gerne, keiner von ihnen war wie der andere. Das machte sie, wie Sturmseele richtig bemerkte, jedes Mal aufs Neue wunderschön. Vielleicht bekam ich ja dort die Gelegenheit dem Kater endlich zu sagen, was Sache war. Das hätte ich schon seit vielen Blattwechseln tun sollen, aber jetzt wo Splitterblüte verschollen war, ergab sich für mich die perfekte Gelegenheit. Ich mochte es eigentlich überhaupt nicht, das Verschwinden von Sturmseeles Gefährtin für mich zu nutzen… aber verdammt, ich musste auch irgendwann mal an mich denken. Wenigstens ein einziges Mal in meinem Leben. Ich hatte sowieso nichts zu verlieren, keinen Gefährten, keine Junge, keine Familie. Selbst wenn Sturmseele also nicht dasselbe für mich empfand, würde mein Leben weiterhin seinen Gang gehen. Natürlich ohne Gefährten und ohne Jungen, aber ich konnte den Kater schließlich zu nichts zwingen, geschweige denn ihm einen Vorwurf machen. Wir waren viele, viele Monde lang beste Freunde gewesen und bisher hatte er nie auf dieselbe Weise wie ich gefühlt. Ich erwartete also nicht, dass sich das plötzlich änderte und dennoch gab es die mickrig kleine Chance, dass er doch mehr wollte als nur Freundschaft.
Das war allerdings ein Thema für ein anderes Mal. Für heute hatten wir genug auf der faulen Haut herumgelegen und mussten uns erstmal wieder stärken. Direkt nachdem wir das Lager betraten, ging ich schnurstracks auf den Frischbeutehaufen zu. Ich fühlte mich, als könne ich den gesamten Haufen in einem Haps hinunterschlingen. Ich besann mich aber eines Besseren und pickte einen Vogel heraus, der groß genug für uns beide war. Ich hoffte, dass Sturmseele meine Wahl auch zusagte, wünschte «Guten Appetit!» und biss herzhaft ein Stück der Beute ab. Zufrieden genoss ich den blutigen Geschmack des Tiers. Das hatte ich gebraucht. Nun konnte ich mich auch wieder auf andere Dinge konzentrieren und ließ meinen Blick im Lager umherschweifen, immer noch genüsslich kauend. Es schien alles wie immer. Hie und da standen ein paar Katzen zusammen und plauderten. Ich beobachtete Froststern, der mit zwei deutlich jüngeren Katzen sprach. Eine davon war aschgrau mit einer schwarzen Musterung, die andere beinahe vollständig weiß. Neben ihnen trieben sich noch zwei weitere Katzen herum, die genauso jung und frisch aussahen. Es war jedes Mal aufs Neue schön mit anzusehen, wie die Katzen im SchattenClan heranwuchsen. Würde ich je die Gelegenheit bekommen meine eigenen Jungen hier groß zu ziehen?
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Gesteuert von meinem rumorenden Magen, lief ich schnurstracks auf den Frischbeutehaufen zu und pickte einen größeren Vogel heraus, der sicherlich für uns beide reichte. Sturmseele schien mit der Wahl ebenfalls zufrieden zu sein und setzte sich neben mich, während ich schon drauf und dran war, meinen Bauch wieder aufzufüllen. Ich genoss den blutigen Geschmack des Beutetiers und ließ meinen Blick gedankenversunken über die Lichtung schweifen. Dabei blieb ich an Froststern hängen, der sich mit mehreren jungen Katzen unterhielt, die vielleicht geradeso das Schüleralter erreicht hatten. Sturmseele vermutete, dass wir eine Versammlung verpasst hatten, da sich ungewöhnlich viele Katzen auf der Lichtung aufhielten. Als nächstes hörte man nur das malmende Geräusch seiner Zähne, die nun ebenfalls auf einem Stück des Vogels herumkauten. Jetzt, da ich meinen Blick von Froststern abwandte und die Lagerlichtung insgesamt betrachtete, schien Sturmseele tatsächlich richtig zu liegen. Tja, das hatten wir wohl davon, wenn wir den ganzen Tag am Sternenbaum faulenzten. «Meinst du, die dort wurden zu Schülern ernannt?», fragte ich den Kater und folgten seinem Blick in Richtung Froststern. Möglich war es ja, nur wen hatten sie wohl als Mentoren bekommen? «Ich hätte gerne einen Schüler…», fügte ich etwas leiser an. Das Zusammenarbeiten mit jüngeren Katzen hatte mir schon immer Spaß gemacht. Zudem war es durchaus an der Zeit, dass ich einen Schüler bekam, denn es waren schon wesentlich jüngere Krieger zu Mentoren ernannt worden. Bedröppelt, dass ich vermutlich gerade eine Schülerzeremonie verpasst hatte, nahm ich noch einen kleinen Bissen des Vogels und kaute ein paar Mal darauf herum. Meine Augen fixierten nach wie vor die (mutmaßliche) Schülerschar auf der Lichtung.
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