Es ist eine sternenklare Nacht, mitten in der eisigen Blattleere, als ein kleiner, schwarz-weißer Kater durch den Wald zieht. Seine Pfoten tragen ihn erschöpft durch den tiefen Schnee, der ihm bis zum Bauch reicht und immer wieder zum Frösteln bringt. Alle paar Fuchslängen muss er auf seiner Wanderung unter den hohen Kiefern eine Pause einlegen, um dicke Schneebälle von seinen Pfoten zu lecken, die sich in den längeren Beinhaaren verfangen haben. An den hellen Schnurrhaaren haben sich bereits Eiskristalle gebildet, so lange ist er schon unterwegs. Der Weg bis zum Versammlungsort zieht sich durch die unvorteilhaften Wetterumstände um einiges länger als sonst, aber dennoch ist der Kater überzeugt davon, sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen.
Ein mancher möchte sich nun fragen, was es wohl war, dass den jungen Schüler, der sonst eher dafür bekannt war, zur Faulheit zu neigen, zum Durchhalten anspornte. Ihr werdet es schon bald erfahren.
Nach vielen weiteren, mühsamen Schritten atmete der Kater mit den bunten Augen schließlich auf. Sein warmer Atem bildete eine kleine Wolke in der frostigen Luft und gab wenig später den Blick frei, auf das lang ersehnte Ziel. Eine wunderschöne, schneebedeckte Lichtung, beinahe frei von jeglichen Pfotenspuren, offenbarte sich vor seinen Augen. In der Mitte präsentierte sich der eindrucksvolle Baum, auf dem die Anführer der Clans zu sprechen pflegten. Seine ausladenden Äste waren ebenfalls weiß geschmückt und vermittelten den Eindruck, sie könnten in dieser Nacht beinahe das Himmelszelt erreichen. Doch das war noch nicht alles. Schon bald hörte der schwarzweiße Kater heftiges Schnauben und Stöhnen und als er sich suchend umsah, purzelte ein braunes Fellknäuel auf die Lichtung, dicht gefolgt von einem riesigen, roten Gegenstand, dessen Namen dem Kater ein Rätsel war. Der geräuschvolle Aufprall wurde von der weichen Schneedecke abgefangen und zurück blieb ein kleiner, weißer Kopf der sich aus dem Schnee erhob.
Der Schüler hielt gespannt die Luft an – war das etwa Santapfote? Aber nein. Das weiße Gesicht lachte, schüttelte sich und zum Vorschein kamen blitzende bernsteinfarbene Augen, die einen kleinen blauen Punkt versteckt hielten. Der Kopf war nun nicht mehr komplett weiß sondern wies auch eine bräunliche Färbung auf, genauso wie der größte Teil des restlichen Körpers, der sich nun aus dem Schnee erhob. „Melissenpfote!“ Verwunderung, aber auch Überraschung sprach aus dem Gesicht des SchattenClan Schülers, als er seinen heimlichen besten Freund erkannte. Dieser strahlte nun übers ganze Gesicht und wippte mit seinem Körper auf und ab. “Na, was treibst du dich hier herum, Opalpfote? Glaubst du etwa auch, dass die Geschichten wahr sind und Santapfote in dieser Nacht von dem Baum am Großen Versammlungsort steigt, um uns zu beschenken? Das hätte ich gar nicht von dir gedacht!“ Das Lachen des braun-weißen Katers schallte über die Lichtung und der schwarz-weiße Kater wollte sich, innerlich ertappt, eine Erklärung einfallen lassen, damit er nicht mäusehirnig da stand. Aber dann resignierte er schnell und erinnerte sich daran, dass er vor seinem Freund nichts geheim halten konnte. “Diesen Blattwechsel habe ich wirklich einen großen Wunsch…“ gab er zu und schüttelte kurz darauf gleich den Kopf. “Aber was machst du hier denn mit diesem großen… Ding?“ fragte er schnell zurück. So etwas Merkwürdiges hatte er wirklich noch nie gesehen. “Ach den Sack? Den habe ich mit Savannenherz gefunden. Der war ja ganz früher mal ein Hauskätzchen und hat mir erklärt, dass Zweibeiner in diesen riesigen Dingern Sachen verstecken und umher tragen. Und das fand ich echt cool! Ist doch so oder? Voll krass außergewöhnlich! Gefällt mir!“ schon wieder erklang dieses herzliche Lachen, das wohl bei jeder Katze Glücksgefühle auslöste. Nur so konnte Opalpfote die Wärme in seiner Brust erklären. “Du hast echt eine Vorliebe für außergewöhnliche Dinge…“ murmelte er grinsend. Dann aber huschte ein Schatten über den Sternenhimmel und die beiden Kater zuckten zeitgleich zusammen. “War er das?!“ riefen sie wie aus einem Mund, aber alles, was sie noch sehen konnten, als sie zu dem Baum in der Mitte des Versammlungsortes sahen, war eine hell strahlende Wolke aus unzähligen Sternen. “So ein Mist…“ seufzte Opalpfote. Jetzt konnte er seinen Wunsch an Santapfote vergessen. Das konnte doch nur er gewesen sein und sie hatten ihn verpasst! Doch wie es für seinen Freund aus dem WindClan üblich war, verzweifelte er nicht lang, sondern stupste ihm aufmunternd in die Seite. “Sei nicht traurig. Ich habe eine Idee! Was glaubst du, warum ich dieses Zweibeinerding dabei habe! Ich wollte heimlich alle meine Freunde zu Miaunachten beschenken – so wie Santapfote das macht. Warte, für dich habe ich auch etwas…“ mit diesen Worten verschwand Melissenpfote doch tatsächlich in dem roten… Sack und kam wenig später mit einem Büschel Blätter im Maul zurück. Als er es vor dem anderen Schüler ablegte, schnupperte dieser vorsichtig daran, aber wurde mit einem sanften Schlag auf seine Schnauze unterbrochen. “Aber, aber. Das wird erst im Lager geöffnet!“ das mahnende Schnurren des WindClaners klang äußerst belustigt. “Aber zurück zu meiner Idee. Wie wäre es mit einem Geschenketausch? Ich gebe dir ein Geschenk für Pandapfote mit und du… verrätst mir deinen Wunsch.“ schlug er vor. Opalpfote aber bereitete der Vorschlag ein wenig Bauchschmerzen. Unruhig knetete er den festgefrorenen Boden. “Dann- Dann will ich aber wissen, was du Pandapfote schenkst.“ setzte der schwarz-weiße Kater an und rechnete eigentlich damit, dass Melissenpfote nun ablehnen würde. Aber dieser nickte nur zufrieden und beugte sich zu seinem Ohr. “Aber verrate es ihr nicht vorher… Es ist ein wunderschöner Stein… Der schimmert Rosa! Pandapfote und ich haben ihn in einer Höhle gefunden… Ich glaube sie hat gar nicht mitbekommen, dass ich ihn heimlich mitgenommen habe!“ leises Glucksen drang zu Opalpfote durch und lies seinen Pelz vor Aufregung kribbeln. Jetzt musste er es ihm wohl wirklich sagen… “Ich… Ich wollte auch, dass Santapfote Wapitipfote etwas für mich schenkt… Komischer Weise ist es auch ein Stein, den wir… Naja zusammen gefunden haben. Er glitzert wunderschön. Krallenmond vermutet, dass es ein Opal ist – also… der Stein, nachdem ich benannt wurde…“ gab der SchattenClaner leise zu und merkte, wie ihm das Blut dabei etwas zu Kopf stieg. Zum Glück stellte sein Freund aber keine weiteren Fragen, sondern führte einen kleinen Freudentanz auf. “Ich wusste es!“ jubelte er. “Natürlich gebe ich meiner Schwester gern dein Geschenk. Sie wird sich riesig freuen!“ schnurrte er zufrieden und wirbelte mit seinem munter umherschlagenden Schweif, den ganzen Schnee auf. Opalpfote konnte nur daran denken, dass Melissenpfote zum Glück nicht wusste, dass er diesen Stein zusammen mit Wapitipfote in einem Traum vom SternenClan gefunden hatte – ein Traum, der unter dem Stern der Liebe stand. Er konnte ohnehin nicht wirklich daran glauben, dass all das wahrhaftig echt gewesen sein sollte. Aber immerhin war er mit dem Opal in seinen Pfoten aufgewacht. Nun schüttelte er seinen Pelz, bis der glitzernde Stein von deinem Rücken rutschte und in den Schnee fiel. Im Gegensatz zu seinem Freund hatte er gar nicht an eine Verpackung gedacht. Der braun-weiße Schüler beugte sich interessiert über den heruntergefallenen Stein und staunte nicht schlecht. “Der ist wirklich hübsch aber warte-„ Er verschwand während seiner Worte wieder in dem Sack. “-bis du meinen siehst.“ schon kam er wieder hinaus und präsentierte stolz den eigenen Schatz. Und zum Glück hatte Melissenpfote auch noch ein paar Blätter zum Verpacken übrig.
Ob es wohl ein Zufall war, dass die beiden besten Freunde den Schwestern des jeweils anderen einen sonderbaren Stein schenkte?
Diese Frage würde wohl vorerst ein offenes Rätsel bleiben. Opalpfote auf jeden Fall konnte schon bald mit zwei in Blätter eingewickelten Geschenken zurück zum SchattenClan Lager stapfen, mit dem Wissen, dass sein Freund schon bald in das WindClan Lager, mit einem gut eingepackten Opal für seine Schwester, heimkehren würde.
In dieser eisigen Nacht hatte er unbewusst etwas unglaublich Wichtiges gelernt. Vollkommen egal, ob es Santapfote nun wirklich gab, um seinen Freunden seine Zuneigung zu beweisen, brauchte es den mysteriösen Kater nicht. In Zukunft würde er seine Wünsche an andere Katzen auch mehr selbst in die Pfote nehmen, nur um anschließend dieses glückliche Lächeln zu sehen, was ihm Pandapfote schenkte, als sie am nächsten Sonnenaufgang das Geschenk von Melissenpfote auspackte.