Erneut fiel das Wort Krallenmond. Anscheinend handelte es sich dabei um jemanden, der sich um andere Katzen kümmerte, die Probleme aufwiesen, aber mir ging es doch eigentlich gut, oder? Zumindest fielen mir keine Defizite auf, welche mich von meinen Geschwistern deutlich differenzierten. Sie lebten doch in der selben Dunkelheit wie ich? Vielleicht zeigten sie in verschiedenen Gebieten mehr Stärke, aber das katapultierte niemanden automatisch weiter nach hinten. Verwirrt starrten taubengraue Augen gen Boden. Binnen letzter Monde hatten sie mehr an blauen Elementen gewonnen, der blinde Schleier jedoch umhüllte nun vollkommen die Pupillen. Nicht einmal mehr Farbklekse erfasste das ohnehin schon nutzlose Sichtfeld. Alles blieb einfach schwarz. Wieso kann man mir nicht sagen was Sache ist? Vollkommen begriffsstutzig bin ich nun auch nicht… Verärgert plusterte sich mein Fell gegen die negativen Schwankungen in der leicht eingedickten Luft auf. Fein vibrierten fast unsichtbare Schnurrhaare als ein Windhauch sie streifte. Anscheinend drehte der fremde Kater gerade um und meinte abwesend, dass Krallenmond es richten würde. Dabei hörte ich ziemlich deutlich heraus, dass er kein Fünkchen Aufmerksamkeit an mich verschwendete. Leicht enttäuscht drehte ich mich halb weg, eine Antwort schien ohnehin nicht nötig. Solche Gefühle waren mir bis dato unbekannt geblieben.
Druck, unendlicher Druck lastete schwer auf meinen schmalen, noch wachsenden Schultern. Zum Glück verließ er daraufhin rasch unsere Nähe, zumindest nahm jene drohende Präsenz ab. Davor hatte das Männchen irgendwas von einer Versammlung geredet, doch dafür reichte mein eigenes Interesse keineswegs mehr aus. Er mag mich nicht. Niedergeschlagen drückte ich mich gen Boden, nur Kupferjunges spendete mir gerade etwas Trost. Polarjunges fand sich irgendwo abseits und Tundrajunges war ja mit Froststern beschäftigt gewesen. Mehr oder weniger bitter ließ ich mir seinen Namen auf der Zunge zergehen. Irgendwas gefiel ihm definitiv nicht an mir. Plötzlich schlug Fell ähnlich einer Welle über meinen kleinen Körper zusammen. Deutlich überrascht zuckte ich zusammen. Vollkommen in Gedanken vertieft hatte ich das anschwellende Rascheln überhört und wurde sogleich von Mamas betörenden Geruch beruhigt. Sie versprach Geborgenheit. Niemanden konnte man mehr vertrauen. Schnurrend drückte ich mich ihrer Zunge entgegen. Demnach würden wir später nochmal unseren Vater sehen, Schlafen sollte sogleich danach folgen. Allein der Gedanke an Schlaf ließ wohlige Schauer entstehen. In diesem Stadium konnte mir keiner etwas. Weder urteilte man, noch behandelte man Junge als potentielles Problem. Auf einmal sprach mich Mama noch im Speziellen an, sagte ich solle keine Angst haben, egal ob ihr Sohn nicht perfekt war, sie hätte ihn trotzdem lieb, egal was Krallenmond sagte.
Verwirrt arbeiteten sich kleine Pfoten zwischen dem Schweif hervor. Suchend glitten die großen Augen umher, folgten dem Stimmenquell. „Aber was stimmt nicht mit mir? Habe ich irgendwas falsch gemacht?“ Kurz brach leichte Verzweiflung hervor, bevor ich noch andere Fragen stellte. Momentan obsiegte die Neugier in meinem Inneren. „Was ist eigentlich eine Versammlung oder ein Vater? Ist er wie du Mama? Und wer ist Krallemond? Er kam so böse rüber…“ Eingeschüchtert senkte ich die Ohren herab. Wo auch immer die Versammlung wartete, diesen sogenannten Vater wollte ich eigentlich keineswegs nochmal begegnen. Vielleicht war ja zumindest Versammlung nett? Darauf stützte ich meine gesamte Hoffnung.