Als Kieselpfote ihre Augen öffnete, stach ihr das helle Sonnenlicht unangenehm in den graublauen Augen. Murmelnd versuchte sich die Schülerin tiefer in ihr Nest zu kuscheln, um noch etwas wertvollen schlaf zu tanken ehe ihr heutiges Training anfangen würde. Dieses vorhaben wurde jedoch von einem lauten Krach im Lager unterbrochen. Erschrocken fuhr Kieselpfote auf ihrem Nest, die Augen weit aufgerissen und starrte auf den Ausgang vor sich.
„Kannst du nicht aufpassen? Dämliches Mäusehirn, schau was du angerichtet hast!“ Die gemusterte Schülerin sprang aus ihrem Nest und kletterte aus dem Schülerbau gar nicht weit von ihr baute sich gerade Samengold, eine eingebildete Kriegerin, vor dem Heilerschüler Hundepfote auf. Der Dunkelbraune Kater sah Schuldbewusst auf den Boden, ein Stückchen Moos baumelte auf seinem Maul, von dem eine gelbliche flüssigkeit tropfte, dieselbe Flüssigkeit schien auch in Samengolds weißem Brustfell zu hängen.
„Samengold! Was ist passiert, wieso schreist du so herum?“ ein weiterer Krieger kam hinzu. Es war Roggenfels, ein etwas älterer und erfahrenerer Krieger und der Mentor ihres Freundes Feigenpfote.
„Diese unfähige Stück Fell hat mich angerempelt! Die ganze Mäusegalle hat mein wunderschönes Brustfell ruiniert!“ beklagte sich die junge Kriegerin. Kieselpfote wusste noch genau, wie es war mit Samengold einen Bau zu teilen als diese noch Samenpfote hieß und mit ihrem Bruder Kornpfote, heute Kornwind, den gesamten Bau terrorisierte. Die Zwillinge waren furchtbar von sich überzeugt und dachten das sie sich, nur weil sie mit ihren Goldgelben Pelzen, den weißen Musterungen und ihren klaren blauen Augen wirklich schöne Katzen waren, alles erlauben konnten! Kieselpfote wurde ebenfalls schon mehrmals gesagt das sie eine außergewöhnlich schöne Katze sei, aber war sie deswegen etwas Besseres als andere? Wohl kaum! Auch der älteste Lochpelz war einst schön gewesen und es ist immer wieder schön anzusehen, wie der alte Kater davon erzählte, wie er all seine Narben erhalten hatte, das Strahlen in seinen Augen war einfach unbezahlbar!
„Samengold, Hundepfote hat das mit Sicherheit nicht mit Absicht getan. Nicht war, Hundepfote?“ Roggenfels sah zum Schüler hinab, welcher bloß eingeschüchtert nickte. „Siehst du, Samengold? Hundepfote hat dich bestimmt nur nicht gesehen, im Heilerbau ist gerade viel zu tun. Ulmenglanz und Tropfenfänger haben Zeitgleich ihre Jungen bekommen und all die kleinen Fellbälle müssen untersucht werden. Auch Aschfangs Beschwerden werden immer schlimmer. Es ist einfach viel zu tun. Und auch wir Krieger haben so einiges zu tun, deswegen werden wir beide jetzt mit Bienentraum Jagen gehen, okay?“ Roggenfels sprach mit der jüngeren wie mit einem Jungen, doch es schien zu helfen. Samengold entspannte sich etwas, drehte sich mit einer eingebildeten Geste um und stolzierte mit hoch erhobenem Schweif zum Lagerausgang, wo schon Bienentraum auf sie wartete. Auch diese Kriegerin wurde immer runder und würde wohl bald in die Kinderstube umziehen müssen. Ein letzter blick auf Hundepfote, welcher immer noch wie ein Häufchen elend dort saß und Roggenfels sah mit seinen Goldenen Irden direkt in Kieselpfotes graublaue.
„Rüsselnarbe sucht nach dir. Er sagte irgend etwas von Streunern an der Grenze zum neuen Zweibeinerort. Er sitzt mit Eschenfels beim Anführerbau.“ Kieselpfote nickte, machte sich auf den Weg zu zweiten Anführer und dessen Gefährtin. Schon von weitem sah der graue Kater mit den vielen Narben die Schülerin kommen und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf sie, auch Eschenfels blickte Kieselpfote mit ihren hübschen zweifarbigen Augen an.
„Kieselpfote! Gut, das du kommst, Roggenfels hat sich also gefunden?“ - „Ja, Rüsselnarbe“, antwortete die Schülerin brav. Der Zweite Anführer nickte.
„Wir werden nachher zusammen auf Grenzpatrouille gehen. An der Grenze zum neuen Zweibeinerort wurde der Geruch einer unbekannten Streunergruppe wahrgenommen die wahrscheinlich in unser Gebiet eingedrungen sind. Blaufang und Drosselsprung warten beim Kriegerbau auf dich, ich komm sofort nach.“ erneut nickte Kieselpfote, drehte ihren Mentor den Rücken zu und machte sich auf den Weg zum Kriegerbau. Auf dem Weg dorthin sah Kieselpfote die Geschwister Dunstjunges, Rabenjunges und Nebeljunges bei Wolkenstern sitzen und mit dem flauschigen schweif der Anführerin spielen. Lächelnd setzte Kieselpfote ihren Weg fort, vorbei an Rotfuchs und ihrer Schülerin Federpfote, die gerade noch ihr Frühstück verzehrten und danach wahrscheinlich Trainieren gehen würden – wohl wie so oft zusammen mit Hummelflügel und seinem Schüler Brummpfote. Beim Kriegerbau angekommen entdeckte Kieselpfote Blaufang und Drosselsprung recht schnell, sie waren offenbar in eine spannende Diskussion verwickelt, Kieselpfote wollte sie nicht stören und sah sich deshalb nach einer anderen Beschäftigung um, Rüsselnarbe würde wohl noch eine kleine weile mit Eschenfels sprechen also blieb genug Zeit noch etwas anderes zu tun. Und wie gerufen kam ihr der Krieger Zwerghall, ein älterer Langhaarkater mit hellbraune Fell und weißer Brust.
„Zwerghall! Habt ihr die FelsClan-Katzen gestern von unserem Territorium vertreiben können? Roggenfels sagte das wahrscheinlich noch immer ein paar hier herumstreunen könnten. Meinst du sie bereiten einen Angriff auf und vor?“ Der Kater unterbrach seine Arbeit den Kriegerbau zu vergrößern, legte die Äste in seinem Maul auf den Boden vor sich und blinzelte die weiß-grau-schwarze Schülerin an.
„Hallo, Kieselpfote. Ja, wir haben alle vertreiben können, aber es können immer wieder neue über die Grenze treten. Der FelsClan hat zurzeit viele Probleme, er wird sich wahrscheinlich bald spalten und die zwei Gruppen werden zwei Lager benötigen. Wahrscheinlich werden wir bald einen dritten Clan auf unseren Versammlungen begrüßen.“ erwiderte der Krieger.
„Sich spalten? Wieso sollten sie so etwas tun?“
„Die Zeiten ändern sich, Kieselpfote. Einige der Krieger denken das Bussardstern langsam alt und senil wird, seine eigenen Handlungen nicht mehr überdenken kann, während sich der alte Kater quer stellt und niemanden mehr an sich heranlässt. Seit dem Tod seiner Gefährtin ist er nicht mehr er selbst, spricht mit sich selbst und behauptet Silberscheins Geist sehen und mit ihr Kommunizieren zu können.“ erklärte der Krieger. Kieselpfote nickte.
„Morgen ist doch eine Versammlung, oder? Denkst du Wolkenstern wird dort mit Bussardstern sprechen? Du kennst ihn doch, was bedeutet das alles für ihn? Es muss ihn doch schmerzen so von seinen eigenen Kriegern hintergangen zu werden“ Zwerghall seufzte und ließ sich nieder, Kieselpfote tat es ihm gleich.

„Kieselpfote, du weißt, als ich mit meinem Vater zum SchilfClan kam war ich ein Schüler. Gerade erst neun Monde als, so wie du“, die Schülerin nickte. „Schon zu diesem Zeitpunkt hatte sich Bussardstern sehr verändert. Silberschein war erst kurz vorher gestorben und er fing an immer abwesender zu werden und begann vor sich her zu murmeln. Seine Geschwister, meine Tante Honigfrost und mein Vater, Glimmstock, machten sich furchtbare Sorgen um ihn und versuchten mit ihm zu sprechen. Auch ich gehörte zur Familie und kam mit zum Gespräch, wie auch Honigfrosts Tochter Glanzpfote. Doch Bussardstern wollte die Hilfe seiner Geschwister nicht annehmen. Sie fingen an zu streiten, Glanzpfote und ich konnten bloß ängstlich daneben hocken, und anschließend sagte Bussardstern etwas was er auf ewig bereuen würde.“ Zwerghall starrte in die ferne, schien mit seinen Gedanken in ferner Vergangenheit zu schweben.
„Was sagte er?“
„Geht.“
„Bitte?“
„Er sagte: 'Geht. Und nimmt euer Pack mit euch. Ich will euch nicht länger in meinem Clan sehen.' er stürmte aus dem Bau, sprang auf den alten Aust, auf dem wir immer Clantreffen abhielten und sprach eine Offizielle Verbannung auf meinen Vater, Honigfrost, Glanzpfote und mich aus. Dann gingen wir, hatten schließlich keine andere Wahl. Honigfrost meinte, dass sie es Bussardstern durchaus zutrauen würde seine eigenen Geschwister und deren Junge umzubringen, sollten sie weiterhin gegen seinen Willen handeln. Versteh mich nicht falsch, Bussardstern war und ist immer noch ein guter und gerechter Anführer. Aber er trauerte und er konnte in der seiner Trauerphase keine Störung gebrauchen“
„Und auch heute trauert er noch“ unterbrach eine weitere Stimme Zwerghalls Erzählungen.
„Glanzfell!“, riefen Zwerghall und Kieselpfote zeitgleich. Die Kriegern kicherte und ließ einige Stöcke zu Zwerghalls fallen.
„Erzählst du ihr die Geschichte? Glaub ihm ja kein Wort, Kieselpfote. Schon als Schüler war Zwerghall schwer von begriffen. Ich werde dir erzählen wie es damals wirklich war:
Eigentlich verlief der Streit nämlich nicht annähernd so harmlos wie von meinem lieben Cousin hier beschrieben. Ich war ein bin ein wenig älter, war damals kurz vor meiner Ernennung. Honigfrost und Glimmstock machten Bussardstern viele Vorwürfe und sagten Sachen die sie später bereuten. Glimmstock warf ihm an den Kopf, das er sich wegen Silberscheins tot nicht so aufführen soll während meine Mutter offen bekundete, dass sie Silberschein eh nie gemacht habe und sie, unfruchtbar wie sie war, Bussardstern und dem Clan sowieso nie einen wirklichen Nutzen gebracht habe.“
„Das wusste ich nicht …“, meldete Zwerghall sich erneut zu Wort.
„Du warst zu verängstigt, um wirklich etwas mitzubekommen.“ erklärte Glanzfell „Jedenfalls nahm der Streit immer mehr fahrt auf. Du musst wissen, für Bussardstern hat Silberschein das Leben bedeutet und ohne sie wusste er einfach nicht mehr, was er tun sollte. Ich schätze der einzige Grund warum er sich nicht umbrachte war die Befürchtung vor dem Clan, als schwach zu gelten.“ endete Glanzfell ihre Erzählung. Inzwischen hatten auch Blaufang und Drosselsprung aufgehört zu reden um ihnen zu zuhöre. Einige Schüler, Junge und Krieger hatten sich zu ihnen gesetzt, sogar Rüsselnarbe Eschenfels und Wolkenstern waren dazu gekommen und lauschten gespannt.
„Aber was ist dann passiert?“ wollte Kieselpfote wissen.
„Das wissen wir nur aus Erzählungen. Kronenflüstern sagte zu mir da Bussardstern sich komplett abschottete. Der Verlust seiner Familie so kurz nach dem Verlust seiner Gefährtin tat ihm weh. Junge wurden teilweise erst mit zehn Monden zu Schülern. Schüler wurden Mentoren, sie bekamen nicht einmal mehr Kriegernamen. Die dachten sich die anderen k´Krieger für sie aus, sie waren sozusagen inoffizielle Krieger. Grenzen wurden, durch fehlende Patrouillen, immer schwächer und Streuner drangen immer tiefer ins Territorium ein. Bussardstern schottete seinen Clan von der Außenwelt ab und sich selbst von seinem Clan. Es wurde erst wieder besser als sich Bussardstern Falkenpfote als Schüler gab. Doch die schlechten Einflüsse der Krieger, die sich gegen ihren Anführer stellten hatten sich bereits zu tief in sein Herz gebrannt – er wand sich von seinem Mentor ab und Bussardstern versank erneut. Er ist jetzt elf oder zwölf Monde als, also fast schon ein Krieger.“ Wolkenstern schüttelte mit Tränen in ihren grünen Augen den Kopf.
„Ich hätte niemals gedacht, das es so schlimm um den FelsClan steht.“ - „Der Clan hatte bereits Probleme, als Bussardstern noch kein Anführer war. Es ist der Fluch der Felsen, welcher es so schlecht um den FelsClan stehen lässt!“ Lochpelz war zu ihnen getreten und starrte grimmig in die Runde.
„Was ist 'Der Fluch der Felsen'?“, wollte Daunenjunges, die jüngste Tochter von Eschenfels und Rüsselnarbe.
„Oh nein! Wir haben keine Zeit für eine weitere Geschichte! Die Grenzen müssen erneuert werden und die Beute gehört gefangen. Wenn ihr wollt, können wir uns ja heute Abend zusammen setzen und Lochpelz erzählt uns die Legende vom Fluch. Blaufang, Drosselsprung, Kieselpfote, kommt. Fleckenpfote, du kommst auch mit. Dann können Drosselsprung und ich gleich deine Fähigkeiten im aufspüren von Fährten testen.“ Der schwarz-weiß gefleckte Kater sprang erfreut auf und eilte an die Seite seines Mentors. Fleckenpfote war Drosselsprungs erster Schüler, doch der Krieger schlug sich gut und ging geduldig mit dem kleinen Kater um. Die Gruppe löste sich auf, Zwerghall und Glanzfell nahmen ihre Tätigkeit wieder auf den Kriegerbau zu vergrößern, Wolkenstern fing wieder an mit den Jungen des Clans zu spielen. Rüsselnarbe sammelte seinen Trupp um sich herum und lief mit den zwei Kriegern und den zwei Schülern aus dem Lager.