Nach kurzem Nachdenken entschied sich der Schüler dazu, dem Weg weiter in Richtung des Versammlungsortes zu folgen.
Obwohl die Blattleere mittlerweile eingetreten war, durften die DonnerClan-Katzen immer noch dort fischen, was zu Spannungen zwischen den meisten Katzen der beiden Clans geführt hatte. Kojotenpfote war sich sicher, dass es nicht gut enden würde, sollte er noch Sonnenuntergang an der Grenze auf eine Katze des DonnerClans treffen.

Je weiter er kam, desto dichter wurde der Schneefall und schon bald begann der Kater zu frieren.
Obwohl die Temperaturen schon etwas länger denen der Blattleere entsprachen, hatte es bisher nur ein paar Male geschneit und nie war der Schnee auch liegen geblieben. Nun konnte Kojotenpfote jedoch beobachten, wie die Flocken allmählich die Erde um ihn herum zu bedecken begannen.
Als er sich der Grenze näherte, wurde er wieder langsamer. Die Gestalt, welche er aus dem Lager hatte schleichen sehen, war weit und breit nicht zu sehen und auch in der dünnen Schneeschicht befanden sich keine Spuren, die darauf hinweisen würden, dass hier jemand vor ihm entlanggekommen war. Hatte er also doch den falschen Weg gewählt?
‘Es war doch keine DonnerClan-Katze, oder?‘, schoss es ihm durch den Kopf, doch rasch verdrängte er diesen Gedanken wieder. Keinesfalls wäre ihm dieser Geruch entgangen. Egal wie gut eine Katze darin war, sich zu tarnen, niemand hätte es geschafft, den Geruch eines anderen Clans vollkommen unbemerkbar zu machen. Und wie hätte es einer DonnerClan-Katze gelingen sollen, unbemerkt bis in ihr Lager und wieder hinaus zu gelangen?

Gerade wollte er wieder umkehren, als sein Blick an einer Bewegung in einem der Bäume, welche den Versammlungsort umgaben, hängen blieb. Was auch immer sich dort in den Ästen befand, war deutlich zu groß, um ein Vogel oder Eichhörnchen zu sein.
Mit zusammengekniffenen Augen näherte sich der Kater besagtem Baum, den Blick nicht von der Stelle abwendend, wo er die Gestalt vermutete.
Ein plötzlicher Aufschrei ließ ihn zurückzucken und im selben Moment fiel eine kleine Katze von einem der Äste. Zu Kojotenpfotes Erleichterung gelang es dieser jedoch, sich sofort an einem der darunter liegenden Äste festzuklammern und sich wieder hochzuziehen. Ein Sturz aus dieser Höhe wäre sicherlich nicht gut ausgegangen.
Nun wusste Kojotenpfote zwar, dass es sich um eine Katze handelte, einen genauen Blick konnte er aber weiterhin nicht erhaschen.
Wer auch immer sich dort oben befand, war anscheinend auch nicht besonders gut darin, zu klettern. Weshalb war die Katze also dort oben?

Besorgt blickte der junge Kater nach oben und rief: »Alles okay bei dir? Sei vorsichtig!«
Die unbekannte Katze schien sich mittlerweile wieder genug gefangen zu haben, um den Weg nach unten fortzusetzen. Ob sie Kojotenpfotes Worte gehört hatte, konnte dieser jedoch nicht sicher sagen, vernahm er weder eine Antwort noch eine andere Reaktion. Womöglich war sie auch einfach noch zu geschockt, um zu reagieren.
Nach kurzer Zeit verschwand die Gestalt wieder vollkommen im Geäst. Unruhig, den Blick nicht abwendend, trat der Kater von einer Pfote auf die andere.
Gehen konnte er nun keinesfalls mehr. Geschah der Katze etwas, nachdem er sie zurückgelassen hatte, würde man womöglich seinen Geruch finden und ihn verantwortlich machen. Mal abgesehen davon, dass er sich nun tatsächlich etwas sorgte und sicherstellen wollte, dass es der Katze gut ging. Zudem fragte er sich, wer sich um diese Zeit hier aufhielt. Es handelte sich doch nicht etwa um einen Streuner oder eine Hauskatze, oder? Aber allgemein konnte die Katze wohl auch aus allen der Clans stammen.
In diesem Moment zog eine Bewegung bei den Wurzeln des Baumes seine Aufmerksamkeit auf sich und hinter dem Baumstamm trat eine Gestalt hervor.

Leichte Schmerzen schossen durch die linke Seite der Kätzin, als sich diese in ihrem Nest im Schülerbau aufrichtete.
Ein wenig traurig, betrachtete sie die mittlerweile weitgehend verheilte Wunde, an deren Stelle nun eine rötliche Narbe trat. Zwar hatte ihr Versuch, Bärenpfote zu retten, einen äußerst positiven Eindruck bei ihrem Mentor und nach dessen Berichten auch bei Blattstern hinterlassen, jedoch würde sie den Preis, den sie dafür hatte zahlen müssen, ihr Leben lang tragen müssen.
‘Hoffentlich ist es das Wert‘, dachte sie sich und rief sich erneut die Worte ins Gedächtnis, welche Rotfell vor ein paar Tagen, als sie den Heilerbau endlich hatte verlassen dürfen – früher als erwartet, wie der Heiler angemerkt hatte - ihr gegenüber geäußert hatte: »Ein solch aufopferungsvolles Verhalten entspricht genau dem, was ein Clan sich von seinem Anführer wünscht. Mach so weiter, sobald wir das Training fortsetzen können und ich kann dir versichern, dass aus dir mal eine großartige Kriegerin, wenn nicht sogar Anführerin wird. Aber bring dich nie wieder so unüberlegt selbst in Gefahr«.
Bis sie das Training wieder vollkommen aufnehmen konnte, würde es wohl noch ein wenig dauern, jedoch durfte sie das Lager heute wieder verlassen und sich einer der Patrouillen anschließen.

Als die Kätzin den Bau verließ, fiel ihr Blick auf die Gestalten ihrer beiden Brüder, die sich ein Kaninchen teilten. Nicht weit entfernt, den Frischbeutehaufen betrachtend, entdeckte sie dann auch ihre Schwester.

Abwartend sah sich der Kater auf dem Versammlungsort um. Im Vergleich zu den Vollmondnächten war dieser nun vollkommen leer und still. Die Sonne, die allmählich die Luft erwärmte, sorgte für hübsche Muster auf dem Boden und führte dazu, dass im Lager momentan wahrscheinlich einige Katzen die letzten Momente der schönen Temperaturen genossen, bevor es bald kalt wurde.
Während der letzten Blattleere war Marmorpfote noch ein Junges gewesen, weshalb er sich nicht wirklich daran erinnern konnte, wie diese Zeit gewesen war. Jedoch hatte Eulenfeder innerhalb der letzten Tage nie eine Möglichkeit ausgelassen, ihm zu sagen, wie wichtig es nun war, die Lagervorräte aufgefüllt und gut kontrolliert zu halten.

»Hey!«
Erschrocken zuckte Marmorpfote zusammen, entspannte sich allerdings sofort wieder, als er Korallenpfote, den Heilerschüler des WindClans erkannte. Bisher hatten sie sich nur flüchtig auf den Wegen zum Mondstein miteinander unterhalten, da der ältere Kater bisher meist in Gespräche mit den Heilern verwickelt gewesen war. Dennoch hatte sich der andere Schüler von Anfang an darum bemüht, Marmorpfote so viel zu erzählen, wie ihm nur möglich war – bei ihrem ersten Treffen vor allem im Bezug auf den Mondstein und sein eigenes erstes Heilertreffen.
Neugierig musterte Marmorpfote nun den Kater, der hinter Korallenpfote erschienen war.
‚Steppentanz‘, erkannte er erstaunt. Bisher hatte er den Kater nur aus der Entfernung auf der letzten Großen Versammlung gesehen.
»Wie ich sehe, geht es dir nun besser, Steppentanz«, begrüßte die WolkenClan Heilerin den jüngeren Kater erfreut.
»Ihr hättet uns nicht entgegenkommen müssen. Wir hätten uns auch, wie so oft, erst an der Grenze treffen können. Sicherlich solltest du dich noch schonen«, merkte nun Eulenfeder an.
Viel wusste Marmorpfote nicht über die bisherige Abwesenheit des WindClan-Heilers, abgesehen davon, dass dieser angeblich während der Suche nach Kräutern in eine Falle der Zweibeiner geraten war und sich dabei eines seiner Beine verletzt hatte, was das Zurücklegen längerer Strecken für ihn vorübergehend unmöglich gemacht hatte.
»Keine Sorge, die Wunde ist gut verheilt und es schmerzt nur hin und wieder noch ein wenig. Es gibt nichts mehr, was mich davon abhalten würde, mich mit unseren Ahnen auszutauschen«, entgegnete Steppentanz ruhig, den Blick dabei, zum Erstaunen des Schülers, nie von Marmorpfote abwendend.
Als der Heiler auch nach längerer Zeit und weiteren Fragen der anderen Katzen immer wieder zu ihm herüber zu blicken schien, fühlte er sich allmählich unwohl. Bildete er sich das seltsame Verhalten des anderen Katers nur ein, schließlich schien auch sonst niemand, etwas davon mitzubekommen, oder weshalb schien er ein so großes Interesse an ihm zu haben?

Zu seiner Erleichterung traf bald schon, kurz nach den Heilern des Fluss- und WolkenClans, auch Wolkentanz, die SchattenClan-Heilerin, ein und ermöglichte ihnen somit den Aufbruch zum Mondstein. An ihrer Seite befand sich eine junge Kätzin, die der Schüler bisher noch nie gesehen hatte.
Jedoch konnte der Schüler auch auf ihrem Weg das Gefühl nicht abschütteln, beobachtet zu werden.

Augenblicklich fiel dem Schüler das glänzende Band auf, welches um den Hals des fremden Katers gebunden war. Was war dies? Handelte es sich bei dem Kater etwa um ein Hauskätzchen?
Erst dann musterte er ihn im Gesamten. Bei dem Fremden handelte es sich, soweit Kojotenpfote es bei dem geringen Licht erkennen konnte, um einen schlanken, weitgehend hellen Kater mit dunkler Maske und ebenfalls so dunklen Pfoten und Ohren.  
Genau konnte er das Alter der anderen Katze nicht einschätzen, doch schienen sie zumindest von einem ähnlichen Alter zu sein, wenn der andere nicht sogar jünger war.

Erschrocken machte Kojotenpfote einen Satz zurück, als der Fremde plötzlich auf ihn zuraste. Mit freudig in der Luft herumschwingendem Schweif und leuchtenden Augen, blieb dieser knapp vor ihm stehen und miaute, ohne jegliche Vorsicht: »Hallo! Wer bist du? Gehörst du zu den Katzen, die im Wald leben? Bist du gefährlich?«
'Hauskätzchen', bestätigte Kojotenpfote seine erste Vermutung, erstaunt von der Naivität des Hauskaters, der anscheinend gar kein Gefühl für mögliche Bedrohungen hatte. Andere ClanKatzen hätten ihm sicherlich schon eine bleibende Verletzung als Denkzettel verpasst, obwohl er hier ernst genommen auf neutralem Territorium war.

Als sie aufbrachen, begab sich Marmorpfote beinahe augenblicklich an die freie Seite der junge Kätzin, welche ihre grünen Augen schüchtern zu Boden gerichtet hatte. Er fragte sich, weshalb ihre Mentorin sie noch nicht vorgestellt hatte, erklärte sich dies schließlich aber damit, dass sie bereits spät dran waren. Sicherlich würde die SchattenClan-Kätzin dies später noch nachholen.
Die weitgehend weiße Kätzin reichte Marmorpfote knapp bis zur Schulter. Ihre Rücken und ihre Ohren waren weitgehend von einer rot-braunen Färbung, während kleine Sprenkel derselben Farbe auf dem restlichen creme-weißen Pelz zu erahnen waren.
»Hallo, ich bin Marmorpfote, Eulenfeders Schüler. Wie heißt du?«, fragte er sie freundlich.
Erstaunt, aber keineswegs verängstigt, blickte die Kätzin auf, als ob sie nicht damit gerechnet hatte, angesprochen zu werden.
»Ich heiße Smaragdpfote«, antwortete sie sanft, jedoch kaum hörbar.
Gerade wollte er die Kätzin fragte, ob sie aufgeregt sei, ihre Ahnen zum ersten Mal zu treffen, wie es damals Korallenpfote für ihn getan hatte, doch in diesem Moment meinte sie, ebenso leise wie zuvor: »Warum starrt dich der WindClan-Heiler so an? Habt ihr euch gestritten?«
Also war er nicht der einzige, dem Steppentanz' seltsames Verhalten auffiel.
»Nein, eigentlich nicht. Es ist das erste Mal, dass ich ihn hier beim Heilertreffen sehe. Er konnte die letzten Male nicht kommen.«
Anstatt weiter zu fragen, nickte die Kätzin darauf nur und senkte wieder den Blick, woraufhin sie einen Teil des Weges schweigend nebeneinander herliefen.

»Ich bin ein Schüler des FlussClans und heiße Kojotenpfote und wer bist du?«, antwortete er, darauf bedacht, möglichst stolz zu wirken. Er wollte nicht, dass der Fremde sich vor ihm fürchtete, doch zugleich sollte dieser wissen, dass sich eine Clan-Katze nicht alles gefallen lassen würde.
Dieser schien jedoch keineswegs zu bemerken, wie unangenehm dem Schüler die Situation zu sein schien. Fröhlich darüber, eine Antwort bekommen zu haben, miaute der Hauskater nun: »Ich bin Louis! Was ist der FlussClan? Nennen sich die Katzen im Wald so? Ich habe ein paar gruselige Geschichten über euch gehört, aber du scheinst gar nicht so gefährlich zu sein.«
Jetzt, da sie sich näher waren, konnte Kojotenpfote deutlich sehen, wie klein der andere Kater doch war und nun war er sich auch sicher, dass dieser sicherlich jünger als er selbst war. Womöglich war er erst um die sechs Monde alt? Viel älter als ein frisch ernannter Schüler konnte er keinesfalls sein.
»Was machst du hier?«, fragte er nun tatsächlich leicht besorgt, wie auch neugierig. Es war mitten in der Nacht und zudem hatte es angefangen, zu schneien. Dies war sicherlich keine Zeit, in der Hauskatzen normalerweise nach draußen gingen.
Doch sobald die Frage seinen Mund verließ, erschien ihm Louis plötzlich bedrückt.
»Ich wollte nur ein bisschen im Wald spielen, aber jetzt finde ich den Weg nicht mehr …«, meinte er traurig. Jegliche Freude, die er zuvor ausgestrahlt hatte, war plötzlich verschwunden.
»Und was hast du dann dort oben getan?«, fragte Kojotenpfote auf den Baum bezogen.
»Ich dachte, vielleicht sehe ich den Bau meiner Zweibeiner von dort. Aber ich konnte nur Bäume sehen und bevor ich hoch genug klettern konnte, habe ich Angst bekommen…«

»Bist du aufgeregt?«, fragte er Smaragdpfote schließlich, welche daraufhin leicht nickte.
»Mir hat niemand gesagt, was genau jetzt passiert«, hauchte sie und obwohl Marmorpfote keineswegs von sich behaupten konnte, sie zu kennen, war er sich sicher, Trauer und Enttäuschung aus den Worten heraushören zu können. Weshalb hatte sich niemand darum gekümmert, die Kätzin zu informieren? War sie erst vor kurzem ernannt worden?
»Weißt du, mir ging es ähnlich, als ich vor ein paar Monden zum ersten Mal mit zum Mondstein gehen durfte, aber Korallenpfote hat mich von meinen Sorgen abgelenkt und mir alle Fragen beantwortet.
Du musst dir eigentlich wirklich keine Sorgen machen. Deine Mentorin wird die ganze Zeit bei dir sein, wir sind auch an deiner Seite und die SternenClan-Katzen, wen auch immer du treffen wirst, wissen genau wie unsicher und unerfahren die neuen Heilerschüler sind. Niemand erwartet irgendetwas von dir, dass du nicht wissen kannst.«
Aus großen Augen sah die Schülerin ihn nun kurz an, schien ihm aber nicht vollkommen glauben zu wollen, bevor sie sich wieder auf den Weg konzentrierte. Mittlerweile hatten sie das Gelände außerhalb der Territorien erreicht.
»Wie war denn deine erste Nacht beim Mondstein?«, fragte sie ihn.
Kurz erstaunte ihn die direkte Frage, doch dann setzte er an: »Wir dürfen anderen Katzen nie über unsere Träume erzählen. Nur der Anführer unseres Clans darf davon erfahren, wenn dies notwendig ist.«
Die Enttäuschung der Kätzin bemerkend, fuhr er fort: »Aber ich kann dir so viel erzählen – ich habe niemanden getroffen, den ich kannte, sondern ehemalige Heiler meines Clans, welche mich willkommen hießen und mir ein wenig über ihre eigenen Erfahrungen zu Lebzeiten erzählten haben. Also nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.«
Tatsächlich schienen Marmorpfotes Worte die Schülerin ein wenig beruhigt zu haben, denn schon bald fiel es beiden Schülern leichter, unbesorgt über das zu reden, was sie bisher gelernt hatten.
Tatsächlich war Smaragdpfote anscheinend erst vor wenigen Sonnenaufgängen ernannt worden, weswegen sie noch nicht die Möglichkeit gehabt hatte, besonders viel zu lernen, überraschte Marmorpfote jedoch dennoch mit ihrem erstaunlich ausgeprägten Wissen und ihrer überlegten Ausdrucksweise.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichten die sieben Katzen den Höhleneingang, welcher zum Mondstein führte.
»Bleib einfach nah bei uns, dann kommst du schnell beim Mondstein an«, meinte Korallenpfote aufmunternd an Smaragdpfote gerichtet, welche den dunklen Gang unsicher betrachtete.
»Halte dich für heute an mich«, meinte nun Eulenfeder, der der Schülerin andeutete, ihm zu folgen, woraufhin er, dicht gefolgt von Smaragdpfote, die Höhle betrat. Sie schien keineswegs erstaunt darüber zu sein, dass der FlussClan-Heiler anstatt ihrer eigenen Mentorin die Führung übernommen hatte.
Nach und nach folgten auch die anderen Katzen bis Marmorpfote mit Steppentanz und der SchattenClan-Heilerin alleine zurückblieb.
»Du gehst also immer noch als letzte? Willst du deiner Schülerin kein Vorbild sein?«, frage der ältere Kater die Kätzin, während er an dieser vorbei ins Dunkel trat, mit leicht stechendem Tonfall.
Wütend blitzten die Augen dieser auf, doch sagte sie nichts. Stattdessen wies sie Marmorpfote nur an, den anderen rasch zu folgen, woraufhin er den engen Gang betrat.

Den Hauskater ein wenig bemitleident, überlegte Kojotenpfote, was er über den Zweibeinerort wusste.
Aus Erzählungen der älteren Katzen wusste er, dass dieser hinter dem Territorium des WolkenClans lag. Dementsprechend müsste man dort hingelangen, wenn man dem Donnerweg folgte, der vom Versammlungsort aus manchmal zu hören war und das SchattenClan-Territorium von denen der anderen Clans trennte.
Kurz überlegte er, ob er Louis begleiten sollte, schien der junge Kater Schutz doch gut gebrauchen zu können, erinnerte sich jedoch augenblicklich an die Warnungen der Ältesten und Krieger. Der Zweibeinerort war kein Ort, an dem sich ClanKatzen aufhalten sollten. Neben offensichtlichen Gefahren, wie Hunden und Zweibeinern, waren diese gefüllt von Monstern, die nur darauf warteten, Katzen anzufallen. Und was würden seine Clankameraden davon denken, wenn er nach Monstern und Zweibeiner riechend ins Lager zurückkehrte?
»Wenn du in diese Richtung gehst, gelangst du schon bald an einen breiten, grauen Weg, der von Monstern benutzt wird«, erklärte er also schließlich, in die Richtung des Donnerweges deutend. Daraufhin zeigte er dorthin, wo das DonnerClan-Territorium lag: »Folge diesem in diese Richtung und du wirst zurück zum Zweibeinerort kommen. Meinst du, du findest dein Zuhause dann wieder?«
Der Hauskater erschien ein wenig unsicher bei dem Gedanken, sich wieder alleine auf die Suche begeben zu müssen, nickte aber, bemüht mutig zu erscheinen.
»Ich denke schon. Der Bau meiner Zweibeiner ist vom Waldrand aus leicht zu finden. Danke, Kojotenpfote«, meinte er mit einem Hauch seines anfänglichen lebendigen Verhaltens, woraufhin sie sich voneinander verabschiedeten.
Kurz folgte Kojotenpfotes Blick dem jungen Kater, bis dieser zwischen den Büschen verschwand. Dann kehrte er unbemerkt ins Lager des FlussClans zurück.

»Danke für deine Hilfe«, miaute die junge Kätzin sanft, während Kojotenpfote dieser durch den Wald folgte, bemüht sich seinen Unmut nicht anmerken zu lassen, wollte er doch keinesfalls, dass ihn die Heilerin missverstand. Letztendlich hatte er von sich aus angeboten, ihr beim Sammeln der Kräuter zu helfen. Dennoch wäre es ihm lieber gewesen, hätte sein Mentor ihn an diesem Morgen mit zum Training genommen.
Rasch verdrängte er diese Gedanken wieder. Tannenstern hatte ihm versprochen, mit ihm jagen zu gehen, sobald die Sonne unterging. Also konnte er sich jetzt auch anders nützlich machen, ohne sich darum zu sorgen, wieder von seinem Mentor vernachlässigt zu werden, hatte dieser sich doch, insbesondere innerhalb der letzten Tage, immer mehr Zeit für ihn genommen.
»Du musst mir nicht danken, Himmelsblume. Aber wonach suchen wir überhaupt?«, meinte Kojotenpfote nun also und blickte fragend zu der Heilerin.
Da er kein Heilerschüler war, hatte er innerhalb seines Lebens kaum Erfahrungen mit Kräutern gemacht und wusste somit auch nicht, was genau die Kätzin benötigte.
»Für den Anfang reicht es, wenn du dich nach Spinnweben umsiehst. Ich werde hier um Bach nachsehen, ob ich etwas finde, was ich gebrauchen kann.«
Kojotenpfote nickte und begab sich, als der Bachlauf vor ihnen zu sehen war, zu den nahestehenden Bäumen, in welchen er nach den klebrigen Fäden tastete.
Er hatte bereits einen kleinen Klumpen der Spinnweben auftreiben können, als eine rasche Bewegung und ein kurz darauf ertönendes Platschen ertönten. Erstaunt blickte der Kater hinab zum Bach, wo er die zitternde Gestalt Himmelsblumes erblickte. Die Heilerin stand mit weit aufgerissenen Augen innerhalb der zerbrochenen Eisschicht, das kalte Wasser an ihren Pfoten schien sie gar nicht zu bemerken.

Suchend sah sich die Kätzin nach ihren Eltern um. Sie wusste, wie sehr sich die beiden um sie gesorgt hatten und so wollte sie diesen nun umso mehr beweisen, dass es ihr gut ging. Insbesondere der Gedanke an die Tatsache, dass ihr Mentor sie als würdige zukünftige Anführerin sah, bestärkte sie darin, dass sie trotz ihrer Verletzung kein Problem damit haben würde, bald schon das verpasste Training nachholen zu können.
Erfreut erspähte die Schülerin den dunkelroten Pelz ihrer Mutter, welcher soeben zwischen den Ranken des Lagerausganges verschwand. So schnell wie es der Schülerin nach der langen Ruhezeit und trotz der Schmerzen möglich war, folgte sie der Kriegerin und holte diese wenige Fuchslängen vom Lagereingang entfernt ein, wo sie zu ihrer Freude auch erkannte, dass sich Ahornblatt bei ihrer Mutter befand.
»Ahornblatt, Rubinblüte, wartet!«, rief sie ihren Eltern hinterher, welche augenblicklich stehen blieben und sich erstaunt zu ihr umdrehten.
Sofort sah Astrildpfote Sorge in den Augen ihrer Mutter aufblitzen, als diese sah, wie ihre Tochter das Lager verließ.
»Was machst du hier draußen?«, fragte jedoch Ahornblatt, »Solltest du nicht weiterhin im Nest bleiben und dich schonen?«
»Es geht mir gut«, erwiderte sie mit Nachdruck und fügte mit Stolz hinzu, »Ich wurde vor Tagen aus dem Heilerbau entlassen und werde bald wieder trainieren. Rotfell meinte, dass er davon überzeugt ist, dass ich einmal eine großartige Kriegerin werde!«
Die beiden Krieger schienen zwar weiterhin unsicher, doch zugleich erfreuten sie die lebendigen und selbstsicheren Worte ihrer Tochter. Obwohl sie dies nur einander offenbart hatten, hatten sie sich beide Sorgen gemacht, dass der Unfall und die Verletzung womöglich zu Unsicherheit in der jungen Kätzin geführt haben könnten.

Als der Kater seine Augen öffnete, konnte er noch den kalten Stein an seiner Nase spüren. Vor ihm eröffnete sich jedoch eine weite Ebene, welche ihn entfernt an das WindClan-Territorium erinnerte.
Verwirrt blickte er sich um. Was sollte er hier? Die letzten Male war er stets von Katzen des SternenClans willkommen geheißen worden und wenn er nicht in der Höhle mit dem Mondstein gewesen war, so hatte die Umgebung zumindest der seines eigenen Clans geähnelt. Dies hier war aber etwas vollkommen anderes.
Unsicher blinzelte er gegen das helle Licht an, bemüht irgendein Lebewesen zu entdecken, doch nicht einmal Beute konnte er ausmachen.
Als sich auch nach einer gefühlten Ewigkeit nichts bewegte, erhob sich der junge Kater schließlich und begann eine Pfote vor die andere zu setzen. Er wusste nicht genau, was von ihm erwartet wurde, doch sitzen zu bleiben, war anscheinend nichts das Richtige. Wohin er gehen sollte, war Marmorpfote jedoch ebenfalls nicht klar, sah es in allen Himmelsrichtungen beinahe gleich aus - karger, sandiger Boden bis zum Horizont, nur ein paar kleine Pflanzen hier und da.
Doch kam der Schüler nicht weit. Schockiert krallte er sich in den trockenen Untergrund, als sich vor ihm plötzlich der Boden auftat und eine tiefe, dunkle Schlucht zu sehen war, deren Boden beinahe in den Schatten verschwand. Wohin war er hier bloß geraten?
In diesem Moment zog eine Bewegung am Boden der Schlucht seine Aufmerksamkeit auf sich. Von seiner Position aus war schwer zu erkennen, was genau sich dort unten befand, aber je näher die Gestalt kam, desto sicherer war er sich, dass es sich um eine Katze handelte.

»Hallo, Marmorpfote«, ertönte plötzlich eine sanfte Stimme hinter dem jungen Kater.
Erstaunt fuhr dieser augenblicklich herum und fand sich kurz darauf einer schlanken Kätzin gegenüber. Zwar war er sich sicher, dieser noch nie zuvor begegnet zu sein, aber irgendetwas kam ihm an ihr seltsam bekannt vor.
Fragend musterte er die dunkle Kätzin, erwiderte dann aber bemüht freundlich ihre Begrüßung, als er in ihren bernsteinfarbenen Augen nichts Negatives erkennen konnte.
Bevor er fragen konnte, um wen es sich bei der SternenClan-Kätzin handelte, unterbrach ihn diese bereits, ohne auch nur einmal ihren sanften Tonfall zu verlieren. Als sie zu sprechen begann, runzelte sie jedoch leicht die Stirn.
»Du solltest nicht hier sein. Dies ist nichts, was du sehen solltest; nichts, was du wissen müsstest.«
Marmorpfote wollte die Fremde fragen, was genau sie meinte, doch erneut ließ sie ihn nicht zu Wort kommen.
»Deine Neugierde wird dich und deinen Clan in Schwierigkeiten bringen. Lass die Vergangenheit hinter dir und konzentriere dich auf die Gegenwart. Deine Pflichten als Heiler sollten über allem stehen.«

Erschrocken eilte der Schüler an die Seite der Heilerin. Als seine Pfoten das Eis und das kühle Wasser darunter berührten, zuckte er kurz zusammen, jedoch hielt ihn dies nicht davon ab, sich zu der Kätzin zu begeben.
»Was ist passiert, Himmelsblume? Geht es dir gut?«, fragte er die Heilerin besorgt, welche ihn für einen Moment nur mit leerem Blick ansah, bevor sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich verhärtete und sie ohne ein weiteres Wort an Kojotenpfote vorbei ging und sich zurück ans Ufer begab.
»Ich denke, es wäre besser, wenn du zum Lager zurückkehrst, Kojotenpfote. Ich schaffe das hier alleine«, meinte sie nur kühl und wandte sich wieder den Pflanzen zu, de sie bisher hatte auffinden können.
Die unerklärlich kalte Einstellung der Kätzin verwirrte den Schüler ein wenig. Jedoch erschien sie ihm weiterhin aufgebracht zu sein und so kehrte er, anstatt weiter nachzufragen und sie womöglich nur noch mehr zu verstimmen, dorthin zurück, wo er die bereits gesammelten Spinnweben liegen gelassen hatte. Da er nicht wusste, ob er diese mitnehmen oder bei der Heilerin lassen sollte, hob er sie auf und kehrte zu dieser zurück. Womöglich hatte sich Himmelsblume ja auch bereits wieder beruhigt und würde sich doch über weitere Hilfe freuen.
In dem Moment, in dem ihn die Kätzin aber bemerkte, fauchte ihn diese aufgebracht an, dass er die Spinnweben einfach liegen lassen und ins Lager gehen solle, wo er warten solle, bis sie zurückkehre.
Erschrocken trat Kojotenpfote ein paar Schritte zurück. Noch nie hatte er die Heilerin so schlecht gelaunt gesehen. Verwirrt und verunsichert, ließ der junge Kater die Spinnweben also fallen, bevor er sich umdrehte und rasch in Richtung des Lagers aufbrach.

Verwirrt blickte Marmorpfote die fremde Kätzin an. Nicht annähernd konnte er nachvollziehen, in was für eine Situation er hier geraten war und was ihre Worte zu bedeuten hatten. Inwiefern hatte dieser Traum mit seiner Position als Heilerschüler zu tun?
»Entschuldigung, aber ich verstehe nicht? Was bedeutet das alles?«, bat er nun also um eine Erklärung.
Kurz schien die Kätzin erstaunt zu sein, jedoch erschien äußerst rasch Erkenntnis in ihrem Blick. Leicht schüttelte sie den Kopf und murmelte etwas, was dem jungen Kater verborgen blieb. Daraufhin wandte sie sich jedoch wieder an Marmorpfote und miaute: »Dies hier ist eine Erinnerung. Sie ist etwas verzerrt, aber enthält dennoch ausschlaggebende Ereignisse der Vergangenheit. Einige Katzen des SternenClans waren der Meinung, dass es wichtig für dich sei, dies hier zu sehen, um dir möglichst bald deine Herkunft zu offenbaren und dich enger an deinen Clan zu binden. Ich hingegen bin nicht dieser Meinung. Dir diese Erinnerungen zu zeigen, würde keinen Zweck erfüllen. Also gehe nun, Marmorpfote. Geh und vergiss, was du hier gesehen hast.«
Mit diesen Worten begann die Gestalt der Kätzin zu verblassen.
Immer noch verwirrt, bat Marmorpfote sie darum, länger zu bleiben und ihm zu erklären, was sie meinte, doch vergebens. Wenig später öffneten sich seine Augen und er fand sich wieder in der Höhle an der Seite seines Mentors wieder.